Jörg Wickram | * um 1505 in Colmar | † vor 1562 in Burkheim (Vogtsburg im Kaiserstuhl) | frühneuhochdeutscher Schriftsteller
 
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Die Biografie

Wir wissen wenig über diesen Dichter. Außer den gedruckten Werken und einigen Kopien und Regeln des Meistersangs von seiner Hand sowie ein paar eher zufälligen Vermerken in Akten im Stadtarchiv von Colmar ist nichts von ihm überliefert, kein eigenes Manuskript, keine Abbildung, kein Grabstein. Nicht einmal Geburts- und Sterbedatum sind bekannt.

Jörg Wickram ist um 1505 in Colmar im Elsass geboren, einer Freien Reichsstadt von einiger Bedeutung. Sein Vater, soviel steht fest, ist der Ratsvorsitzende Conrad Wickram, über die Mutter weiß man nichts. Jörg ist ein ‚Bankert’, seine uneheliche Geburt bleibt ein untilgbares Makel. Erst als sein Vater ihm im Testament
„einhundert gulden zusampt dem huß in der kässgassen“ vererbt, kann er 1546 das Bürgerrecht in Colmar bekommen: „Sonntag Invocavit; Jerg Wickgram ist burger worden uff sinem hus, als das in der kessgassen“; und erst danach kann er heiraten.

Ob er mit seiner Frau Anna Kinder hatte, ist nicht bekannt. Ein höheres Amt bleibt ihm versagt. Er spielt zwar im kulturellen Leben der Stadt als Autor und Regisseur von Fastnachts- und geistlichen Spielen eine wichtige Rolle, bezeichnet sich auch als Maler, ist im Auftrag des Rates als Buchhändler tätig, gründet eine Meistersingerschule und erwirbt dafür eine bedeutende Liedersammlung, aber über das Amt eines Stadtweibels – vergleichbar einem mittleren Verwaltungsbeamten – kommt er nicht hinaus.

Der Grund dafür kann auch im Fehlen einer höheren Bildung liegen, vor allem konnte Wickram nur wenig Latein, das er sich selbst angeeignet hatte. Er hatte zwar eine Schule besucht, sich fleißig weitergebildet, vielleicht auch eine Goldschmiedelehre gemacht – jedenfalls wird er bis 1554 in der Schmiedezunft geführt –, aber das reichte nicht. Eine ‚Großstadt’ wie Colmar brauchte als Stadtschreiber einen studierten Juristen mit guten Lateinkenntnissen.

Erst die kleine Stadt Burkheim am Kaiserstuhl auf der anderen Rheinseite hat Wickram endlich zu dem angestrebten Titel verholfen. Hier spielten seine Abstammung, fehlende Lateinkenntnisse und Sympathie für die Reformation – Colmar war damals noch katholisch und ging erst 1575 zum Luthertum über – offensichtlich keine Rolle, man brauchte einen tüchtigen Verwaltungsfachmann. Dass dieser auch „Tichter“ war, wie er sich gelegentlich selbst bezeichnete, umso besser!

Seit Anfang 1555 arbeitete und lebte Jörg Wickram in Burkheim und bekannte sich seitdem in allen Veröffentlichungen zu seinem Amt in der Stadt. Als Stadtschreiber oblagen ihm nicht nur Schreibarbeiten, vielmehr war er der Rechtsvertreter der Stadt und eine Art Notar und Rechtsanwalt für die Bürger. Allerdings lebte er nicht mehr lange. Er war seit dem Umzug mehrmals heftig erkrankt, setzte aber seine schriftstellerische Tätigkeit fort.
Neben Neuauflagen älterer Werke erschienen die Schwanksammlung
Das Rollwagenbüchlein (1555), die in den folgenden Jahren für mehrere Neuauflagen immer wieder erweitert wurde, die Verserzählung Der irr reitende Pilger (1555, gedruckt 1556), der Roman Von guten und bösen Nachbarn (1556), die Schwankdichtung Die sieben Hauptlaster (1556), der schon 1554 fertig gestellte Roman Der Goldfaden (1557) sowie eine Bearbeitung von Murners Narrenbeschwörung (1557). Wie sich aus den Drucken der Werke und deren Neuauflagen ermitteln lässt, muss Wickram zwischen 1558 und 1562 gestorben sein. In einer Neuauflage des Tobias von 1562 ist von ihm als einem Verstorbenen die Rede („wo auch der löblich Author oder Dichter selb noch im leben were“).

Nach damaligem Brauch wird er auf dem Kirchhof neben der Pfarrkirche St. Pankratius sein Grab gefunden haben. Dort erinnert die Jörg-Wickram-Gasse an den Dichter und Stadtschreiber von Burkheim.


© Die Abbildung der Titelblätter erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, in deren Beständen sich die Originaldrucke befinden.